100 Jahre Chez Vrony: Wo Tradition auf Genuss trifft

Auf einer sonnenverwöhnten Terrasse, unterhalb von Sunnegga, mit freiem Blick auf das Matterhorn, liegt einer der magischsten Orte von Zermatt: das Bergrestaurant «Chez Vrony». Was heute ein mit 14 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnetes Feinschmeckerziel ist, war einst eine einfache Alphütte, erbaut von Menschen mit Visionen, Mut und Herzblut. Zum 100-Jahre-Jubiläum lädt «Chez Vrony» zu einer Zeitreise durch eine bewegte Geschichte ein.

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Vom Stall zur Stube: Der Anfang

Es war das Jahr 1900, als Joseph Julen, der Urgrossvater von Vrony, für 2000 Franken mit Arbeitern aus Saas-Almagell ein schlichtes Holzhaus auf Findeln errichtete. Eine kleine Küche, ein Wohnraum, ein Schlafzimmer, ein Stall. Mehr nicht. Das Material wurde mit Eseln und Maultieren aus Zermatt hochgeschafft. Es war der Anfang eines Hauses, das mehr als ein Jahrhundert später Gäste aus aller Welt empfangen sollte.

Veronika, die starke Frau von Findeln

Die nächste Generation war geprägt von Entbehrungen, Schicksalsschlägen und unerschütterlicher Stärke. Veronika und Severin Julen, Vronys Grosseltern, übernahmen das Haus. Veronika gebar auf Findeln zwölf Kinder. Drei davon verlor sie tragisch: am Berg, in einer Lawine, im Spital. Dennoch kämpften sie weiter. 1922 errichteten sie an genau jenem Ort, wo heute die Terrasse liegt, ein kleines Teehäuschen namens «Findelbord». Dort verkauften sie Milch, Käse, Eier und Tee. Das war alles, was ihnen das Leben schenkte. Dieses Teehäuschen gilt als die Geburtsstunde vom heutigen «Chez Vrony».

 

Winter, Skifahren und ein verletzter Skistar

1953 übernahm Martin Julen, damals ein erfolgreicher Skirennfahrer, das kleine Restaurant, allerdings gezwungenermassen. Eine Verletzung zu Saisonbeginn brachte ihn vom Hang an den Herd. So öffnete „Chez Vrony“ zum ersten Mal im Winter, lange bevor auf Sunnegga überhaupt ein Skilift stand. Der Sessellift von Findeln auf Sunnegga kam erst 1957. Vronys Onkel liessen den Lift bauen, finanziert mit dem ganzen Familienvermögen. Es war ein Wagnis. Und ein Wendepunkt. Denn von da an wurde die Wintersaison zur wichtigsten Jahreszeit des Restaurants.

Wenn niemand will und einer es trotzdem tut

1962 fiel die Verantwortung erneut auf die Familie: Wer soll das Restaurant weiterführen? August und Martina Julen, Vronys Eltern, übernahmen das Restaurant. Damals wurde es „Alpenheim“ genannt. Niemand wollte es. Zu schwer lasteten die Erinnerungen. Augusts Füsse waren beispielsweise entstellt von zu kleinen Schuhen, die er immer auf dem Weg von Findeln nach Zermatt trug. Doch August und Martina wagten den Neuanfang, trotz Typhus, trotz schneearmer Winter, trotz karger Einnahmen. Das Los entschied, dass das Restaurant an August und Martina übergehen soll. Sie nahmen dieses Los an.

Der Wandel zur Genussadresse

Mit der Beschneiung des Sunnegga-Gebiets ab 1986 und der wachsenden Beliebtheit Zermatts veränderte sich auch das Restaurant. Vrony, die als 12-Jährige bereits mit Leidenschaft Gäste bediente, stieg 1979 voll ins Geschäft ein. Sie hatte eine Vision: Auf der oberen Etage ein A-la-carte-Restaurant, auf der Terrasse Selbstbedienung. Sie servierte selbst mit Charme, Eleganz und Herz. Die Gäste sagten bald: „Lass uns zu Vrony essen gehen.“ Der Name „Chez Vrony“ war geboren. Das Restaurant veränderte sich. Die Kulinarik wurde immer wichtiger und beliebter.

Bio, Regionalität und viel Herz

Heute ist Chez Vrony eine kulinarische Institution. Seit 2011 trägt das Restaurant Gault-Millau-Punkte. Die Küche ist international, aber verwurzelt in der Region. Viele Zutaten stammen aus dem Wallis oder dem nahen Piemont. Im Sommer grasen zehn Kühe auf Findeln für Fleisch und Käse, solange es reicht. Die Qualität schmeckt man und man fühlt sie.

Chez Vrony ist mehr als ein Ort zum Essen. Es ist ein Zuhause, ein Stück Zermatter Geschichte, ein Ort der Erinnerung und der Begegnung. Seit 100 Jahren wird hier gekocht, gelacht, geweint, gefeiert. Wer Zermatt spüren will, muss hier gewesen sein. Und dabei die unvergleichbare Gastfreundschaft von Vrony erfahren.